[S. 17] Dennoch ist gemeint, dass auch in der Zeit der Reife keine Ruhe der geistigen Entfaltung eingetreten ist, dass der Geist, vielleicht keiner überraschenden Wandlungen durch Auftreten ganz neuer ungeahnter Qualitäten mehr fähig, immer doch in leiseren Schwingungen lebt und seine geschichtliche Oberfläche in unaufhörlichen Erschütterungen umgestaltet. Der Grund liegt in der epischen, nicht lyrischen Wesenheit der Geschichte.
Haben wir bisher die Entfaltung als das eigentliche Lebensprinzip der geistigen Person aufgefunden, so nähern wir uns dem Thema unserer Arbeit, indem wir die Bedingnisse betrachten, unter denen diese Entfaltung vor sich geht: denn schon dem ersten Blick erscheint der Konflikt wie ein Strudel, der den glatten Fluss personaler Entfaltung unterbricht. Diese Stauung wird durch die Bedingungen erklärt werden, denen die Entfaltung unterliegt.
Um einen Vergleich, freilich nicht ungefährlicher Art zu wählen: das Sternbild des Geistes wächst nicht bloß aus reiner Wirksamkeit immanenter Kräfte zusammen, wie ein Kristall, sein Werden hat auch etwas von dem kaleidoskopischer Sterne, die durch Schüttelung von außen erzeugt werden. Es ist der geschichtlichen Person wesentlich, sich in eine Umwelt von Personen, Wertverhältnissen, Wertdingen, Gütern eingegliedert zu finden. Denn nur in den Stellungnahmen, die deren Wertsinn gestattet, offenbart sich unsere Persönlichkeit und [S. 18]deren Tiefenordnung durch die Richtung unseres Wertsuchens und durch die Werte, zu denen wir Zugang gewinnen. Die durch unsere geistige Eigenart auferlegte Auswahl, die Zugelassenheit nur zu einem Teil der Weltwerte, lässt uns eine Seite der Wertewelt offenbar werden, die als Umwelt nie den phänomenalen Bezug auf die Wertstruktur unserer Person verleugnet. In der Höhe der mir zugänglichen Werte bezeugt sich meine eigene Werttiefe in der Rangordnung der Werte für mich, die Eigenart meiner persönlichen Wertestruktur.[1] Dieser so sinnvoll prästabilierte Bezug ist freilich keine prästabilierte Harmonie: begründet doch die freudige Empfänglichkeit für bejahte Werte zugleich die schmerzvolle für verneinte Gegenwerte: je nach der Wertart der absoluten Welt stimme ich so und so geartete Person mit meiner Umwelt überein oder leide an ihrem Gegenwesen, das bis zur Verkümmerung meines eigenen Wesens führen kann. Der Widerstand, den somit die Welt der Wertwirklichkeit durch Fremdheit oder Heterogenität meiner Wertentfaltung entgegensetzt, kann nur in zweifacher Weise überwunden werden: die Fremdheit durch den recht eigentlich heiligen Willen, dieser Welt hingebungsvoll gerecht zu werden, ein Willen, der ehrfürchtigen Sinn aus träger Ruhe bis zu den Grenzen der Wertempfänglichkeit führt: aus neuen Entdeckungen in der Wertewelt leuchten neue Werte des Entdeckers auf. Diesem Prozess der Selbstentfaltung durch Aufspürung neuer Wertkomponenten des Seins [S. 19]– begrenzt immer durch die Endlichkeit der Wertanlagen – steht die Überwindung der Heterogenität durch schaffende Gestaltung oder Umgestaltung von Leben und Welt gegenüber[2]: Die Welt steht in nebelhafter Finsternis da, aber der Erkenntnisdrang geistiger Personen erweist sich in gliedernder Durchleuchtung; das Leben rinnt in trägem Flusse dahin: aber der Impuls der Leidenschaft peitscht ihn zu kräftiger Bewegtheit auf. Die Welt ist voller Hass: aber Liebesfülle, überfließend in Akten der Liebe ruft Gegenliebe wach und leitet in eine Gemeinschaft der Liebenden ein: denn vernünftigerweise offenbart sich mir in einem Liebesakte die Liebesfülle eines – darum – Liebenswürdigen. Auf derlei Weise kommt die eigentümliche Wertigkeit einer Person, den Widerstand der trägen Welt besiegend, im immanenten Lebenszusammenhang oder im transzendenten von Welt, Gesellschaft, Gemeinschaft zu durch den Sinn der fraglichen Werte gefordertem Ausdruck. Das geistige Wesen bestimmt sich in seinem Werke – und sei es sein Leben[3] – die Begrenzungen und Ausweitungen seines Seins. Indem personale Wirksamkeit, eigene wie fremde, die Realisierung von Anlagen aus vorangelegter Möglichkeiten-Fülle erst gewährt, werden Wertstützen geschaffen, Wertwiderstände beseitigt. Das Werk hat also eine dreieinige Funktion: In ihm wirkt sich die Person aus, es bestimmt ihre apparente Eigenart, es wirkt [S. 20]auf neue Entfaltung ermöglichend ein.[4] Wir weisen noch kurz auf das schon oben Angedeutete hin: dass auch fremde Personen, vergangene, gegenwärtige, zukünftige, meine Auswirkung zu bestimmen vermögen: 1.) durch ihr Wirken auf die Objektwelt, indem sie meines durch Schaffung von Widerständen begrenzen, durch Beseitigung von Widerständen ausweiten (mit oder ohne Rücksicht auf mich), oder 2.) durch ihren Einfluss auf mich, sei es durch ihre Lehre – als Erzieher im weitesten Sinne –, sei es durch die Beispielskraft ihres Wesens, als Vorbild oder Gegenbild. Der Zeitpunkt, in dem solche Einflüsse fruchtbar werden, ist der gereifter Zugänglichkeit für die hier verkörperten Werte. Eine Betrachtung der Faktoren nationaler Entwicklung wird hier auf die Begriffe Renaissance und Rezeption geleitet. Wir müssen uns, wie auch im Folgenden, auf begriffliches Streifen beschränken. Zusammengefasst: die unendlichen möglichen Eindrücke buntesten Lebenszusammenhanges zwingen dem um ihre vernünftige Beherrschung bemühten Geiste ein Heraustreten aus jedem seiner endlichen Zustände auf: zum Sichgestalten nach dem Sinn der Welt, zum Weltgestalten nach dem Sinn seiner sich so entschleiernden Persönlichkeit.
Eine vollständige Darstellung des Wesens einer Person müsste außer diesem ihrem Aufbau aus Werten, die ihren geistigen Charakter ausmachen und die [S. 21]bestimmen, der Eingang in welche Wertverhältnisse der Person möglich ist, noch eine Beschreibung des geistigen Temperaments im weiteren Sinne liefern. Hier müsste das mehr formale Wesen des Temperaments zur Erörterung kommen, gezeigt werden, wie durch Spannkraft, Regsamkeit, Elastizität, Schwungkraft, Enge, Starrheit, Trägheit, Schwerflüssigkeit, Pedanterie des Geistes 1.) das Ausmaß und die Strenge der Bindung in einem Momente apparenter Werte, 2.) die Größe und Wucht des Lebensrhythmus mitbestimmt werden. Es müssten ferner jene materialen Temperamentseigenschaften vorgewiesen werden, die sich darin bekunden, in welch qualitativ bestimmter Weise die Person Werte aufnimmt, und bindet. Diese Eigenart ist ihren Ausdrücken und Handlungen, der Gesamtheit ihrer geistigen Haltung aufgeprägt. Hier offenbaren sich jene Temperamentsqualitäten wie Leidenschaftlichkeit, Klarheit, Zartheit, die Aufgeschlossenheit und Verschlossenheit, die Heiterkeit, Geduldigkeit, Freundlichkeit, Frische, Gesetztheit, Ausgeglichenheit, alles was in Elementen oder Komplexen ein Wesen mit Lichtheit und Düsternis verschiedener Grade erfüllt und überstrahlt. Denn wie die Persönlichkeit sich in die Welt entfaltet, schafft sie um sich eine Zone eigentümlich verwobenen Dunkels und Glanzes, von dessen Erborgtheit die Gegenstände Schimmer und Beschattung zu bekommen scheinen. Wichtiger als diese einseitige Ausgießung ist die Beziehung, in die die Person durch ihr Temperament mit der Welt tritt. Sie ist einigermaßen der durch sein charakterliches [S. 22]Wertwesen gestifteten analog. Die der Person gegebene Welt ist selbst von eigentümlichen Lichtern und Schatten mannigfacher Helligkeit überlagert, Qualitäten derselben Art wie die, die das Temperament einer Person ausmachen. Und ähnlich wie in den Idealen einer Charakterperson, z.B. in ihren Göttern, Vorbildliches und Gegenbildliches, Steigerungen, Ergänzungen, Kontraste ihres Wesens sich mischen, so sucht die Person als Wesen spezifischen Temperaments sonnige Stellen, weil sie selbst sonnig ist oder gerade weil sie der Sonne bedarf, Dunkel, in das sie sich schmiegen kann, weil sie selbst dunkel ist oder ihre leichte Helle den ergänzenden Ernst des Dunkels verlangt, sammelt um sich Dinge und Personen homogenen oder ergänzenden Lichtcharakters zu einer ihr gemäßen Umgebung. Es ist leicht einzusehen, einen wie wichtigen Einschlag diese Temperamentseigenschaften und ihre Verwebung für die Individualität liefern. Da die Beschreibung des Wesens einer Person hier nicht Selbstzweck ist, können und müssen uns diese Andeutungen als Vorbereitung der eigentlich thematischen Erörterung genügen. Sie werden in dieser selbst, vor allem in der Beschreibung der Konfliktkonstellation, noch einige Bereicherung erfahren. Doch ist es nicht möglich, diesen Überblick über das Wesen der geistigen Person und ihre Entfaltung in der geschichtlichen Zeit und Welt zu beschließen, ohne den notwendigen Fehler der Abstraktion einzusehen, den wir durch die Beschränkung auf die – wenn auch endliche – Geistigkeit der Person begangen haben. Die Konstruktion [S. 23]einer Geschichte reiner Personen ist ja vielleicht nicht widersinnig: Wir aber wollen nicht einem Hirngespinst folgen, sondern für das Faktum der geschichtlichen Wirklichkeit etwas gewinnen. Und in der sehen wir nicht reine Personen agieren, sondern Menschen, leiblich – allzu leibliche arme Erdenwesen, die ihr winziges Sein mit Waffen ihrer Hände und ihres dienenden Geistes gegen die Wucht drängender Außenwelt verteidigen. Aus der Aktivität geistiger Entfaltung scheint die Reaktivität der Notwehr zu werden. Freilich erschöpft sich die menschliche Geschichte keineswegs in diesen Niederungen der Not, sie entwächst ihnen mehr und mehr, und in diesem Sinne ist ganz gewiss die Geschichte eine Geschichte der Freiwerdung. Dennoch hat die Keimung alles Geschichtlichen im Leibe, auch noch, wo sich das Geschichtliche zu reinster Funktionalität abgelöst hat, bei Gesamtpersonen wie beim Staate, eine stille, doch machtvolle Wirksamkeit. – Es müsste also eine vollkommene Umwandlung der vorigen Grundlagen geschaffen werden, wenn es uns auf eine adäquate Gesamtkonzeption der geschichtlichen Persönlichkeit ankäme. Unserem beschränkten Zwecke, das Wesen des Konflikts aus dem Wesen der geschichtlichen Person und dem Flusse ihrer Entfaltung zu begreifen, genügen jedoch einige Einfügungen und Umbildungen in den bisherigen Entwurf. Ihr mehr negativer Charakter scheint die Fundierung auf Leib als dem Geiste bloß abträglich hinzustellen. Aber dies liegt nur im Wesen der besonderen Fragestellung begründet. Fernab von Leibfeindschaft erkennen wir vielmehr [S. 24]des Leibes wertvolle Mittlerschaft bei fast allen positiven Werken des Geistes an.
Wir haben die Entfaltung der geschichtlichen Person aus sich oder in Wechselwirkung mit der Umwelt bisher fast nur nach Vernunftgesetzen des Wertgewichtes – sei es des absoluten Sinngewichtes, sei es des individuellen Vorzugsgewichtes – zu verstehen gesucht. Wir haben in der Endlichkeit des Geistes die Gründe dafür gefunden, dass diese Entfaltung niemals eine reine Darstellung der Vernunftgesetzlichkeit sein konnte. Indem wir als Träger der Geschichte der Menschen, ein – auch – psycho-physisches Individuum einsetzen, oder solche Gesamtpersonen, die ihren Bezug auf Menschen, ihrer Herkunft von Menschen nicht verleugnen können,[5] wird die vernunftgesetzliche Entfaltung personalen Wertwesens als durch außervernünftige Imponderabilien mitbestimmt gedacht.
1.) Hohe Werte müssen in große, vielen überhaupt fehlende Tiefen dringen, um zur Empfängnis im Gefühl zu kommen, niedere Werte sind leicht zugänglich,[6] [S. 25]jedermann bemerkbar, ja von einer gewissen Aufdringlichkeit, die von der Beachtung höherer Werte überhaupt ablenkt, die geistige, also durch persönliche Werte bestimmbare Person in die Botmäßigkeit niederer Werte treibt. Die Bemerkbarkeit nimmt zu mit der Leibgebundenheit. Wir verstehen, wie das kommt. In knapper Bildlichkeit gesagt (eine Analyse würde zu weit führen): Die Organe des Leibes, jede Pore, ist ein Tor der Sinne. Nur was über die Schwelle der Sinne schreitet, ist dem Geiste bemerklich (ist doch auch jeder unsinnliche Akt des Fühlens usw. auf sinnliche vermittelnde Gebung fundiert[7]). Die höchste Stufe der Bemerklichkeit haben naturgemäß jene sinnlichen Werte des sinnlich Angenehmen und Unangenehmen, die durch Reize vermittelt werden, die direkt die Tore der Sinne einnehmen: so zwingt der Geschmack des Apfels als Reiz auf der Zunge verspürt, sein Fühlen als angenehm auf, der Schmerz, der an meinem Körper reißt, drängt sich meiner Beachtung als Unangenehmheit auf: diese Reize okkupieren mich, weil ich mich ihrem aufgedrängtem Wert oder Unwert nicht entziehen kann, hindern den Zugang anderer Eindrücke oder lassen ihnen nur ein unbeachtetes Nebendasein, das ein Leben in den durch sie vermittelten Werten nicht gestattet. Und so fort auf den höheren Stufen abnehmender Leibgebundenheit: [S. 26]denn je höher wir in der Reihe der Werte steigen, umso mehr kommen sie erst diesseits der Sinne zur Gegebenheit, lassen also allen jenen Werten den Vortritt an Bemerklichkeit, deren Träger sich eher durch sinnliche Data bestimmen. Der innigeren Kraft, die die höheren Werte vernünftigerweise auf ein geistiges Wesen, das in seiner Innerlichkeit ruht, ausüben, steht die lautere Merklichkeit gegenüber, durch die sich die peripheren Werte natürlicherweise eines Wesens bemächtigen, das als naturgebundenes Wesen nach außen gewandt ist, von wo ihm Gefahr der Überwältigung droht.
2.) Unter sonst gleichen Umständen begünstigt die leibhafte Gegebenheit von Wertrealitäten die Eindringlichkeit ihrer Werte gegenüber der nur vorstellungsmäßigen Gegebenheit, und dasselbe gilt für die leibhafte Nähe gegenüber der leibhaften Ferne, der vorstellungsmäßigen Nähe gegenüber der vorstellungsmäßigen Ferne. Denn die Zonen der leibhaft nahen, der leibhaft fernen, der vorstellungsmäßig nahen und vorstellungsmäßig fernen Welt sind auch in dieser Reihenfolge Zonen „natürlich“ abnehmender Beachtung. Die erste bietet sich dem Geiste als Hauptblickfeld dar, die beiden ersten empfehlen sich der Beachtung eines psycho-physischen, örtlich gebundenen, Gesetzen der Körperbewegung gehorchenden Individuums durch ihre nur langsam verschiebbare Konstanz, die dritte ist immer noch leicht erreichbar, und erst die vierte entschwindet allmählich der praktisch möglichen Sicht, Einwirkung und Beachtlichkeit. Vor allem [S. 27]ist eben zu bedenken, dass diese räumlichen Zonen auch Zonen der Wirkungsnähe für ein leibliches Wesen darstellen, also auch das Indizium, das die Bemerklichkeitsstufen für die Möglichkeiten von Bedrohung, Hilfe, Nutzung bieten, die Beachtung verschieden affizieren muss. Der Wertcharakter vorwiegend beachteter Gegenstände hat unter sonst gleichen Umständen aber höhere Wahrscheinlichkeit Beachtung zu finden, das Subjekt in sich hineinzuziehen, als der Wertcharakter weniger beachtete Gegenstände; das Ganze gilt für die Dinge wie aufgrund der Fundierung von Geistigem in Seelischem, von Seelischem in Leiblichem von Personen, die ebenfalls konzentrische Kreise konstanter Art (hier findet das Du, Er, Dieser, Jener Erfüllung) um das psycho-physische Individuum bilden. So erklären sich zu einem Teile die besondere Liebe zur Umgebung, ja zum Vaterland, der Einfluss des „Milieus“ auf Werdegang und Entschlüsse des Menschen, die Gefahr der Überwältigung durch Mitleid mit den Personen der Umgebung, die Entlegenheit der Fernstenliebe und ähnliches mehr. Räumliche Nähe ist auch eine der Hauptbedingungen für das Gelingen geistiger Suggestion. Die enge Zusammenballung einer Menge lässt aus dem Gefühlsausdruck, den nahe Aufforderungen und Beispiele ausüben in jedem einzelnen Akte und Handlungen aufschießen, die sonst als ferne ohnmächtige Möglichkeiten über oder unter seinem durchschnittlichen Werteniveau stehen. Anblick und Klang von Waffen hebt eine entschlummerte geistige Verfassung, einen Atavismus von primitiver Großartigkeit aus [S. 28]versunkenen Tiefen.
Die Entfaltung geschichtlicher Personen richtet sich, wie wir aus diesen und ähnlichen Erwägungen sehen können, nicht allein nach dem absoluten Höher- und individuellen Vorzugsgewicht der Werte, ja nicht einmal allein nach dem phänomenalen: Vielmehr begreifen wir jetzt, wie Menschen das Bessere wissen und das Schlechtere tun können (freilich können sie dann nicht im adäquaten Erleben des Höherwertes befangen sein). Die Entfaltung geschieht ja in Akten, die durch mehr oder minder starke Gefühle getragen werden. In der Stärke der Gefühle verrät sich die personale Beteiligtheit. Diese aber variiert nicht nur nach absoluten Vernunftgesetzen in einer Kurve, die eine Funktion des Wertegewichtes ist, sondern auch in einer davon unabhängigen, ja vielfach entgegengerichteten der Wertebemerklichkeit. Hierin spricht sich nicht etwa Unvernunft oder Widervernunft aus, vielmehr erwächst dies aus Gesetzen wie dem herausgestellten: dass für leibliche Wesen größere Wirkungsnähe höhere Berechtigung motiviert; diese geistige Haltung findet also für Leibwesen vernünftige, freilich auch auf sie beschränkte Rechtfertigung. Und insofern der Mensch über die Tierwelt durch ein geistiges Prinzip seines Wesens erhoben ist, steht es ihm wohl an, in Arbeit an der Verinnerlichung seiner selbst und der Vergeistigung[8] seiner Umwelt die Gesetze leiblicher Notdurft zu überwinden.
[1] Der Sinnbezug von Person und Werteumwelt dokumentiert sich auch darin, dass diese sich bereichert oder verarmt, wie jene sich entfaltet oder verkommt.
[2] Nicht im Vernunft-, sondern im individuellen Wesen einer Person liegt dagegen jene mögliche Angleichung der Umwelt, die durch die ausschließliche innige Haftung des Blicks an Werthomogenem entsteht.
[3] Genius des Genusses.
[4] Woraus hervorgeht, dass ich einem geistigen Wesen, Wissenschaftler, Wirtschaftler oder Künstler, in seinem Wertwerke, nicht in seinem mehr oder minder gleichgültigen Lebenszusammenhange nahen muss, will ich sein Sein und Werden als Wissenschaftler, Künstler usw., nicht als Herr X kennenlernen.
[5] Es ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, wenn es auch für sie nicht ohne Belang wäre, die Struktur von Gesamt- und Einzelperson zu vergleichender Darstellung zu bringen. Die Erwachsung ihres geistigen Wesens aus Werten, ihr naher oder entfernter Bezug auf Leiblichkeit schafft eine Analogie, die gewiss nicht so streng wie die von großen und kleinen Lettern ist, aber doch eine vorsichtige gemeinsame Behandlung rechtfertigt.
[6] Dies ist kein bloßer Zufall und Zusammenfall. Die Höhe der Werte bemisst sich nach dem Anteil, den sie an dem Wesen der Personalität gewonnen haben, die den letzten Endwert der Heiligkeit hat. In je tiefere Schichten ein Wert eindringt, umso mehr saugt er von diesem Wesen in sich ein, umso mehr davon bringt er zum Ausdruck, umso höher ist er. Am entgegengesetzten Pol wie das Heilige steht das sinnlich Angenehme, das an der bloßen Umhüllung des Geistes, dem Körper, haftet. Es ist hier nicht der Platz, diese natürlich schlecht bildliche Redensart phänomenologisch zu klären. Es muss genügen, wenn der hier vorliegende höchst wichtige Wesenszusammenhang spürbar geworden ist.
[7] Freilich gewinnt der reifende Mensch eine zunehmende Unabhängigkeit von diesen Wegen der Sinne. Angeregt durch die Erfahrung, entwickelt sich in ihm eine Fülle innerer Gesichte, eine reiche Innenwelt eigenen bewegten Lebens, vielfältiger Gestalten. In diese Welt sich zurückziehen, an ihr und in ihr zu denken, der Ablenkung äußerer Eindrücke durch Sammlung in Innerlichkeit zu begegnen, wird immer mehr zur Möglichkeit und zum Genuss.
[8] Hierauf beruht der Kulturwert der Technik.